Customer Journey Management hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Konzept mit strukturierten Vorgehensweisen entwickelt. Die Kundenperspektive einzunehmen, bedeutet heute längst nicht mehr, nur so zu tun, als wäre man sein eigener Kunde. Vielmehr geht es um dedizierte Erkenntnisse, gewonnen aus dem Einsatz erprobter Methoden zur Datensammlung und -analyse.
AIDA, das überkommene Modell
Das im ersten Teil unserer Artikelserie über die Customer Journey vorgestellte AIDA-Modell ist so etwas wie der Urvater aller Modelle zur Beschreibung von Werbewirksamkeitsprinzipien. Im Kern ist es über hundert Jahre alt und damit längst nicht mehr das Mittel der Wahl, wenn es um die Beschreibung moderner Kaufprozesse geht. Denn: seitdem ist viel passiert.
Egal, ob Internet, TV, Radio oder weitere mögliche Kontaktpunkte - die schiere Anzahl sogenannter Touchpoints mit einer Marke bzw. einem Produkt macht es schlicht unmöglich, den Kaufprozess linear zu beschreiben. Vor allem die individuellen Aspekte des Vertriebsprozesses, die in der Customer Journey zentral sind, werden außer Acht gelassen. Dennoch bildet das AIDA-Modell den Ausgangspunkt für weitere im Marketing populäre Modelle, die den Kaufprozess mehr als Reise verstehen.
Von AIDA zur Customer Journey Map
An die Stelle punktueller Erfahrungen tritt eine Landkarte, auf der jeder Käufer seinen individuellen Weg geht, und zwar im Idealfall an Wegmarken vorbei, die ihn für die Produktwelt begeistern, ihn positiv emotionalisieren. Eine geglückte Customer Journey ist damit immer auch ein Erfolg im Sinne des Emotional Selling.
Das klassische Customer Journey-Modell geht von fünf Phasen aus und betrachtet im Gegensatz zum AIDA-Modell auch den Zeitraum nach dem Erwerb eines Produkts oder einer Dienstleistung. Dieser Zeitraum der Customer Journey ist – da sind sich die Spezialisten einig – von immenser Bedeutung für die Kundenbindung.
Phasen im Customer Journey-Modell
Folgende Phasen durchläuft der spätere Kunde im klassischen Customer Journey-Modell: Awareness, Consideration, Purchase, Retention und Advocacy.
- Awareness entspricht der Phase Attention aus dem AIDA-Modell: In dieser Phase wird die Aufmerksamkeit des Konsumenten für ein Produkt oder eine Dienstleistung erregt.
- Consideration kombiniert die aus dem AIDA-Modell bekannten Phasen Interest und Desire. In dieser Phase der Customer Journey hat der potenzielle Kunde bereits konkretes Interesse. Ist das Unternehmen in dieser Phase in der Lage, das Informationsbedürfnis des Kunden zu befriedigen, ist das Eintreten des nächsten Schrittes mehr als wahrscheinlich.
- Purchase: Der Kauf beziehungsweise die Conversion wird durchgeführt. Auch diese Phase der Customer Journey taucht bereits im AIDA-Modell unter der Bezeichnung Action auf.
- Retention fasst After Sale Services zusammen, die dazu dienen, den Kunden dauerhaft zu binden.
- Advocacy beschreibt jene Phase der Customer Journey, in der der Kunde seine positiven Erfahrungen mit der Marke öffentlich kundtut und somit auch weitere emotionalisierte Touchpoints für nachfolgende Kunden erschafft.
Wie auch das AIDA-Modell verläuft das klassische Modell einer Customer Journey linear und bildet deshalb den modernen Kaufprozess nur oberflächlich ab. Die folgende Illustration zeigt digitale und physikalische Touchpoints im Überblick.
Wichtig: Die jeweilige Phase dient aus Marketingsicht nur der ungefähren Orientierung. Für die Bewertung nützliche Rückschlüsse ergeben sich aus den individuellen Wegen, die Kunden entlang der Touchpoints zum Kauf führen. So entstehen Customer Journey Maps – und aus diesen Maps Empfehlungen für gute und weniger gute "Reiserouten".
Wie beschreibe ich eine Customer Journey?
Das Herzstück kundenzentrierter Angebotsentwicklung ist das Erstellen von Customer Journey Maps, also Darstellungen, in denen jedes Erlebnis des Kunden, das mit dem Service direkt oder indirekt zusammenhängt, detailliert erfasst und analysiert wird. Das Ziel ist zum einen, negative Momente zu erkennen und künftig zu vermeiden, zum anderen aber auch Wow-Momente zu erzeugen.
Grundgerüst einer Customer Journey Map sind dabei stets die einzelnen Schritte des Kunden. Und diese beginnen häufig noch vor dem Erstkontakt mit dem Anbieter, beispielsweise im Moment der Bewusstwerdung eines Bedürfnisses und den ersten Recherchen nach einem passenden Produkt.
Für die Erstellung einer Customer Journey Map werden nun zu jedem dieser Schritte Detailinformationen gesammelt:
- Was genau passiert in diesem Schritt?
- Welches Ziel verfolgt der Kunde und welchen Weg schlägt er zur Erreichung ein?
- Welche Kanäle beeinflussen das Erlebnis?
- Wie zufrieden oder auch aufgeregt ist ein Kunde in einem spezifischen Moment seiner Customer Journey?
Besonders wichtig für Marketingfachleute: Kunden haben sehr unterschiedliche Ziele und Wertvorstellungen. Die Arbeit mit sogenannten Personas, d.h. repräsentativen Vertretern einer bestimmten Zielgruppe, bietet sich deshalb als Basis einer jeden Customer Journey Map an. Im Idealfall lassen sich die einzelnen Schritte einer Customer Journey durch Daten belegen, allerdings ist dies nicht immer der Fall.
Grenzen des Online-Trackings
Besonders im Online-Marketing ist die Vorstellung weit verbreitet, dass die Customer Journey vom ersten bis zum letzten Touchpoint getrackt werden kann (und auch soll). Das mag bis zu einem bestimmten Grad möglich und sinnvoll sein, vernachlässigt jedoch auch viele Facetten der Reise. Beispielsweise lässt Tracking einige Kanäle fast vollständig außer Acht: Offline-Erlebnisse wie beispielsweise Beratungsgespräche fehlen gänzlich.
Auch können Touchpoints wie das Betrachten einer Print-Anzeige oder persönliche Empfehlungen nicht gemessen und bewertet werden – obwohl sie durchaus elementare Momente einer Customer Journey sind. Ebenfalls problematisch: Online-Tracking fokussiert sich primär auf das Verhalten eines Kunden. Über die individuelle Wahrnehmung, über mit einem Produkt einhergehende Gefühle oder Gedanken, kann jedoch auf diesem Wege keine Aussage gemacht werden.
Individuelle Erlebnisse als Basis unternehmerischer Entscheidungen
Customer Journey Maps sind ein Versuch, eine objektive Aussage über das durchschnittliche individuelle Kundenerlebnis zu treffen. Es ist dabei zwar quasi unmöglich, alle Einflüsse zu berücksichtigen, jedoch sollen die wichtigsten Momente bestmöglich aufgedeckt und in der weiteren Angebotsentwicklung berücksichtigt werden. Und von diesen zentralen Momenten gibt es einige, z.B. den Zero Moment of Truth oder den Ultimate Moment of Truth. Von diesen Aspekten der Customer Journey berichtet in Kürze der dritte und letzte Teil dieses dreiteiligen Blog-Beitrags.
Über diese Blog-Reihe
Kundennähe ist das Mantra unserer Zeit und die Seele des CRM. Unsere Blog-Reihe „Kleines Zen für große Kundennähe“ beleuchtet, warum Produkte und Dienstleistungen zunehmend austauschbar werden und die Macht des Kunden stetig zunimmt. Kundenorientierung ist ein Schlüsselfaktor des Wirtschaftsgeschehens. Unsere Serie zeigt, wie authentische Kundennähe erzeugt werden kann.